Rot ist Grün – vieles ist genau anders herum, als wir es uns VORstellen

Auf gewisse Weise sind wir vollgepumpt mit Wissen. Nicht nur durch die Schule, auch durch andere Quellen. Wir haben Vorstellungen davon, wie wir Beziehungen führen sollten, was eine „gesunde“ Ernährung ist und wie wir leben sollten.

Obgleich all dieses Wissen, diese Vorstellungen, wunderschön klingen mögen oder theoretisch ein Ziel sein könnten, sind sie auch MEINS?

Entsprechen sie mir?

Fühle ich sie?

Denn das wäre der Samen, den es bräuchte, damit es Form annehmen kann…

Es geht also gar nicht allein darum, ob etwas grundsätzlich „ethisch“, grundsätzlich „gut“ oder „schön“ ist, sondern irgendwie erst einmal darum, wo ICH stehe, womit ICH kämpfe und wo es MICH hinzieht.

Ich kann nur von HIER aus loslaufen und zwar nur in MEINEM Tempo und nur in die Richtung, die für mich von hier aus sichtbar ist.

Wenn ich dem ganz und gar vertraue, wenn ich dem wirklich, wirklich vertraue – mir selbst – dann bin ich genau HIER und kann wirklich losgehen.

Zuvor ist alles, was ich denke, etwas, das sich sehr weit weg von mir befindet. Ich bleibe also in der Trennung. In der Trennung mit mir selbst und in der Trennung vom lebendigen SEIN.

Das, was wir suchen, ist nicht das, was wir uns VORstellen.

Es ist nicht das, was wir irgendwo gehört oder gelesen haben und was sich dann als BILD in uns kreiert.

Das, was wir suchen, ist etwas, was wir SIND. Es ist etwas, dass wir fühlen und spüren können. Etwas, das uns eigen ist. Es sind wir selbst.

Wenn wir also einem Bild hinterherlaufen, einem Bild von uns selbst, einem Bild von Erleuchtung, einem Bild von was auch immer, dann verpassen wir alles, was uns berührt und befinden uns in einer künstlichen Welt.

Vieles von dem, was wir aktuell zu wissen glauben, ist eigentlich verdreht. Es zeigt sich von einer ganz anderen Seite, als es von unserem Ursprung her ist.

Das ist genau das, was wir in den letzten Jahrhunderten perfektioniert haben. Es wurde wichtiger, gesund auszusehen, als gesund zu sein. Es wurde wichtiger, glücklich zu wirken, anstatt glücklich zu sein.

Bin ich wirklich glücklich, wenn sich dieses Bild, was wir überall vorgesetzt bekommen (in Hollywoodfilmen, in spirituellen Workshops, durch die Traditionen unserer Familien,…), wenn dieses Bild, was sich mittlerweile wirklich so anfühlt, als wäre es mein eigenes, erfüllt?

Wie wäre es, wenn ich alles – wirklich alles – weglassen würde, was ich bisher gelernt habe und ganz frisch der Lebendigkeit folgen würde?

Ich gebe zu, das ist ein überausgroßer Schritt, wenn wir in einem komplexen Gerüst aus künstlichen Strukturen festsitzen – oder glauben fest zu sitzen. Denn am Ende ist es unser eigener Glaube an diese Strukturen und unsere eigene Angst davor, dass wir ohne diese Haltegriffe nicht sein könnten, was in uns das Gefühl von Ohnmacht entstehen lässt.

Wenn aber ALLES in uns passiert – die Freude und die Angst – dann können wir nirgendwo anders anfangen als genau DORT. Wir fangen also nicht bei irgendeiner künstlichen Vorstellung über uns selbst oder über die Welt an, sondern IN UNS. Genau an dem Punkt, wo wir gerade berührt werden. Dieser Augenblick hier. Und dieser Augenblick ist ein lebendiger. Er steht nicht fest. Mal sind wir konfrontiert mit inneren Hemmungen, mal mit einer kreativen Idee, mal mit einer Ent-täuschung,…

Es gibt also kein Rezept. Es gibt nur DEINEN Weg.

Und jeder Augenblick ist Teil dieses Weges. Jeder Augenblick ist das Tor in die Gegenwärtigkeit, in dich SELBST, hinein.

Was machst du mit einer Ent-täuschung?

Egal, wie viele Ratgeber du dazu gelesen hast, am Ende bist DU es SELBST, der (oder die) diese Enttäuschung fühlt – oder versucht ihr auszuweichen.

Es ist dein Eiertanz um dich selbst herum, den du weder wirklich beschleunigen, noch wirklich verlangsamen kannst. Denn du siehst (fühlst) nun mal „nur“ und genau das, was du eben siehst (fühlst). Und genau das ist dein HIER, von dem aus du losgehst, mit all den „Werkzeugen“ die du zur Verfügung hast, sprich: Mit genau dem Maß an Mut, der gerade zur Verfügung steht, mit genau dem Energieniveau, was dir gerade zur Verfügung steht, mit genau den Grenzen, die sich gerade zeigen und mit genau den Impulsen, die gerade pulsieren.

Alles, was du brauchst, ist HIER!

In der Gegenwärtigkeit.

Und fast alle künstlichen Strukturen in uns und um uns herum sind darauf ausgelegt, keinesfalls im Puls der Gegenwärtigkeit zu pulsieren, sondern stattdessen: Beschäftigt zu sein mit künstlichen Dingen und künstlichen Vorstellungen.

Deine inneren, künstlichen Strukturen sorgen dafür, dass du dies nicht einmal bemerkst. Es scheint „normal“ zu sein. Allerlei Glauenssätze über dich selbst und über das Leben sorgen dafür, dass du wirklich glaubst, nicht großartig genug zu sein, um diesen Augenblick hier wirklich „auszuhalten“. Das heißt, du glaubst, du könntest es nicht schaffen, du wärst wirklich bedroht, du müsstest dich von deiner „besten“ Seite zeigen, deine Berührbarkeit schützen oder sonst irgendwie nicht auffallen oder vielleicht besonders auffallen, damit du gemocht wirst.

Rot ist Grün.

Wir brauchen tatsächlich niemanden, der uns bestätigt, dass wir liebenswürdig sind. Wir brauchen auch niemanden, der (oder die) uns vervollständigt. Im ursprünglichen Sinne sind wir sprundelnde Lebendigkeit, die sich natürlich ergießt – mit dem Gegenüber – in einem kreativen Schöpfungsakt. Es ist unsere Natur, den anderen zu SEHEN und ihn (sie) alleine dadurch in ihrem Ganz-Sein zu bestätigen. Ohne dass wir auch nur ein Wort sagen müssen. Sogar dann, wenn das Ganzsein gerade die Form einer Irritation hat, also wenn in uns selbst oder in dem Feld des Gegenübers gerade ein „Trauma“ sichtbar wird, gibt es nichts weiter zu tun, als anwesend zu sein.

Es ist nicht unsere Natur über irgendetwas zu urteilen, es zu verurteilen und dann von uns abzuspalten. Unserem Ursprung nach ist alles zutiefst gleichwertig. Also auch wir SELBST neben diesen künstlichen Strukturen. Sie sind also NICHT mächtiger als wir SELBST. Denn im Grund sind WIR es selbst IN dem diese Strukturen auftauchen.

Wir sind groß genug, die gesamte Vielfalt des Lebens in uns zu halten – „auszuhalten“.

Wir können das.

Das Gefühl, es nicht zu können, ist eine künstliche Struktur, die sich über unser natürliches Sein gelegt hat. Und unser natürliches Sein ist so groß, dass es auch das „aushält“, ohne dass seine Großartigkeit, die Unendlichkeit und Unsterblichkeit wirklich gemindert würde.

Es ist unsere Aufgabe, dies wieder zu entdecken. IN UNS SELBST.

Für dich selbst spürbar.

Unsere natürliche Sprache ist nicht in erster Linie, die Sprache der Worte und Gedanken. Wir erspüren die Welt. Wir fühlen einander und wir fühlen uns selbst.

Wir finden Gewissheit in uns. Nicht in einer wissenschaftlichen Studie. Und auch nicht in der Bestätigung irgendeines Freundes, irgendeines Arztes, Chefs oder sonst irgendeiner anderen Person.

Unsere sprudelnde Urquelle befindet sich in uns.

Es sprudelt unaufhörlich aus uns selbst heraus.

Und wir können ganz und gar wir selbst sein und das Gegenüber ganz und gar es selbst sein lassen.

Auch in den Momenten, in denen diese sprudelnde Urquelle gerade eine „künstliche Struktur“ an die Oberfläche spült, damit sie gesehen werden kann.

Wenn dich dieses Thema interessiert und du dir persönliche Begleitung (face to face, Zoom oder per Mail) im eigenen Hinschauen wünscht, dann darfst du sehr gerne Kontakt mit mir aufnehmen. Du kannst mir eine Mail schreiben (verena@yogalini.de) oder einen Termin für ein „Gespräch in Bewegung“ vereinbaren. Hier findest du weitere Infos dazu: http://www.teck-yoga.de/3%20Gespr%C3%A4che%20in%20Bewegung.html

Ich freue mich über Begegnungen

Von Herzen

Verena

Wurzelarbeit die Zweite

Vor ein paar Wochen war ich nach ca. vierzehn Jahren zum ersten Mal wieder an dem Ort, an dem ich vor über 20 Jahren meine erste Yogalehrerausbildung besucht habe, zwei Jahre später meinen Ex-Mann kennenlernte und ein Jahr lang arbeitete.

Zwei Wochen später besuchte ich zusammen mit meinen Kindern ein Yoga-Retreat an der Nordsee (Haus am Watt) und wurde von einem indisch stämmigen Yogalehrer (Herzensdank an Ashwani Bhanot) in meiner Wurzeltradition (Sivananda Yoga) unterrichtet.

Es war so eine wunderschöne Erfahrung für eine ganze Woche, zwei Mal am Tag, für zwei Stunden ganz und gar Schülerin zu sein und die stille, authentische Präsenz eines Lehrers zu genießen, der ganz fein und subtil unterrichtet, „meine“ Mantren zu hören und mich er-Innern zu lassen.

Was für ein Geschenk.

Dies ist also der zweite Blog-Artikel zum Thema: Wurzeln.

Was sind unsere Wurzeln?

Die tiefste Wurzel ist unsere tiefe Verbindung mit unserem innersten Wesen. Darüber habe ich vor allem im ersten Artikel geschrieben. Wenn dieses Wesen beginnt Form anzunehmen, – was das Wesen des Mensch-Seins ist (Körperlichkeit, Aktivität, Sensitivität, Denken, Fühlen, Energie-Erleben,…) -, dann ergeben sich aus diesem endlosen Werden auch noch andere Wurzeln:

Unsere Ahnenlinie.

Nichts, was wir aktuell tun, denken oder spüren, ist unabhängig von alle dem, was vor uns war. Das Haus, in dem wir wohnen, die Straße, auf der wir fahren, das Buch, was wir lesen, die Vorstellungen, die wir haben, selbst die Verbindungen, die wir aktuell im WorldWideWeb knüpfen, hängen an unzähligen Handlungen und Forschungen derer, die vor uns waren.

Mein Körper wäre nicht, ohne dass meine Mutter sich eingelassen hätte, auf das unüberschaubare Wagnis, Mutter zu werden. Ebenso die Mutter vor meiner Mutter und die Mutter vor meiner Mutter und…

Sie alle waren mutig genug, dieses Leben zu leben. Sie alle wurden ent-täuscht, überrascht, herausgefordert, haben aufgegeben, haben gekämpft, sind gereift, haben erkannt, haben geliebt, sind geliebt worden, sind übersehen worden, sind unerkannt geblieben,…

Und du bist hier, um diesen Weg weiter zu gehen.

DEINEN Weg.

Du bist hier, um deine Erfahrungen zu machen. Deine Schleier zu lüften. Dich des-illusionieren zu lassen, weich zu werden, stark zu werden, dich zu zeigen.

Mit alle dem, was durch dich Form annimmt.

In allem, was jetzt durch dich Form annimmt, schwingt das Erbe von unzähligen – und dennoch ist dieser Augenblick, diese Verkörperung hier, neu. Das jetzt ist einmalig, lebendig und unbeschreiblich. Es ist seinem Wesen nach VOLL. Egal wie eckig es sich zeigt.

Es gibt kein Ankommen in dieser unendlichen Lebendigkeit. Aber es gibt ein lustvolles Genießen. Selbst von Müdigkeit.

Ich bin unendlich dankbar über all die Nahrung, die ich durch meine Familie erfahren durfte. Diese ist an Wert nicht zu messen. Es ist so viel mehr, als unser Verstand jemals begreifen könnte. Selbst in den Augenblicken, in denen wir schlicht „vorbereitet“ werden, über uns selbst hinauszuwachsen.

Ich bin unendlich dankbar über all das, was sich immer spontan und ungeplant zeigt.

Als ich vor ein paar Wochen im Westerwald in diesem wunderschönen Wald spazieren ging – meine dort geplante Fortbildung fand leider zu einem anderen Zeitpunkt statt, als ich mich angemeldet hatte und damit änderte sich in null Komma nichts meine gesamte Vorstellung, Planung und die Organisation meiner Kindern – da wurde mir wie aus dem NICHTS plötzlich lebendig bewusst, dass ich TEIL dieses Waldes bin, dass der Wind nicht nur mein Haar durchweht, sondern auch meinen Geist und meine Seele. Der Waldboden gab nicht nur den Bäumen halt, sondern tatsächlich auch mir. Das unterschiedliche Grün der unterschiedlichsten Bäume und Pflanzen nährte mich und pulsierte mit meinem Herzschlag, so dass alles in mir zu vibrieren begann. Was für ein Segen.

Ich traf eine andere Yogalehrerin, die schon einige Jahre lang das weiter gab, weswegen ich zur Fortbildung gekommen war und sie nahm sich Zeit, sich mit mir auszutauschen. In den Tagen, in den ich nun „zu früh“ dort war, unterrichtete ich schließlich selbst, anstatt mich fortzubilden. Ich unterrichtete in meiner Wurzeltradition, in dem Haus, in dem ich selbst einst ausgebildet wurde.

Obwohl der Sivananda-Yoga im Herzen und als ganzheitliches Gerüst definitiv MEINE Tradition ist, so hat sich mein Hatha Yoga Unterricht mit der Zeit doch individualisiert – durch meine eigenen Erforschungen und Erfahrungen.

Es gab eine Zeit, da musste ich mich wie ein reifender Teenager distanzieren von der Form und Umsetzung dessen, was ich einst gelernt hatte. Ich musste das finden, was „ich“ zu geben hatte.

Aber jetzt kann ich mich dehmütig einreihen in eine lange, lange Tradition so vieler wunderbarer Lehrer, die oft auch „nur“ wie ganz „normale“ Menschen aussehen.

Ich bin froh, Teil dieses lebendig schwingenden Ganzen zu sein, in dem jedes Tier, jede Pflanze, jede Seele, jede Verkörperung, mit all ihren Ängsten, ihren Hemmungen, ihrer ganzen Kraft und ihrem Mut, ihren ganz eigenen Platz in dieser unendlichen Bewegung einnimmt.

P.S.: Am Freitag, den 20.09. gibt es im Yogaloft (Kirchheim/Teck) einen 2-stündigen Yoga-Workshop zum Thema Wurzelarbeit mit mir.

Anmeldung unter: verena@yogalini.de